> Harri Nopper #2 -

"Erstens: Wo ist mein Hut? Und zweitens: Wo sind diese verranzten Möhren? Und noch 'ne Frage außer Konkurrenz: Haste mal 'ne Kippe?“
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> 12|19 geschichte

Entenkeulé à l'orangerie de piff paff

Ein Fall für Harri Nopper (#2)


> Als Harri Nopper mit einem moderaten Kater erwachte, traute er seinen Ohren kaum. Und seinen Augen noch weniger. Und seiner Nase erst recht nicht. Unser Privatdetektiv mit der selbst ernannten Lizenz zur Magie fand sich liegend auf einer Art Schaukelmaschine. Männerstimmen wie rostige Kontrabässe gröhlten um die Wette.

Harri Nopper vernahm zunächst nur Laute wie:

„Haaa!!“

„Hee haa, hee ho ha!“

„Ho he?“

„Ha ha – her hää!"

„Ha hi her heihe haa!!“

Mühsam wie hastig übersetzt bedeutete dies in etwa:

„Da!“

„Seht mal, seht doch mal!“

„Wo denn?“

„Na da – er bläst!“

„Das ist der heiße Aal!“

Noppers Sinne meldeten quasi alles andere als 'Morgenstund' hat Gold im Mund'. Es rauschte unaufhörlich, eine Art Sturmwind heulte, und alles schien irgendwie zu schwanken. Es roch verdächtig nach Fisch, Teer, nassem Holz und einem Hauch Männerschweiß, leicht getrocknet.

„Ja, jetzt seh' ich ihn auch!“

„Gigantisch!“

„Und jetzt bläst er!“

„Booaah!“

„Was 'ne Fontane!“

„Fontäne, Du Idiot!“

„Das ist er! Jetzt ist er dran!“

Unser Held sah sich gezwungen, ein Blinzeln zu riskieren. Über ihm war eine gewaltige Wäscheleine gespannt, mit Tüchern bis zum Himmel. Sehr sauber sind die aber nicht geworden, dachte Nopper. Aber der Himmel ist schön, wenn nur die Wolken nicht so hin und herschunkeln würden. Nopper erprobte mühsam die Beweglichkeit seines Kopfes. Ach Du Scheiße, ein Schiff, ein verdammtes Scheißsegelschiff, wie bin ich denn hierher...? Gestern abend war ich doch... Moment...

Ein kugelköpfiger Matrose riss Nopper erst aus den Gedanken und dann aus der Waagerechten: „Ey, Du Chirrsch, rraus hier, das ist Beiboot und nix Kajiete!“ Haarige Seemannspranken fischten den zerknautschten Privatdetektiv aus seinem Nachtlager. „So, und jetzt an Arrbeit! Du weist ja, wo langgeht, Schlafsack!“

Der Angeschnauzte stolperte mit zusammengekniffenen Augen über das Hauptdeck. Da tippte ihm von hinten jemand auf die Schulter:

„Mensch Nopper, wie läufst Du denn hier rum?“

„Ey Cookie, was machst Du denn hier? Und wie Du aussiehst... allein diese Mütze!“

„Was denkst Du denn? Ich bin der Koch hier“, meinte Cookie und schwang ein schwarzes Küchentuch, auf dem gestickte Totenköpfe schimmerten.

„Samma, Cookie, auf was für'm Kahn sind wir hier eigentlich?“

„Das frag' ich mich auch langsam. Aber wenn ich Dir n' Tipp geben darf: Such Dir irgendwas, was nach Arbeit aussieht – oder mach Dich einfach unsichtbar.“

Leider fühlte sich der Detektiv just in diesem Moment seiner magischen Fähigkeiten beraubt. Er schwankte unsicher.

Cookie lachte: „Nee, weißte was Nopper, komm' einfach mit, kannst mir helfen...“

Schon ging es eine Holzstiege hinab unter Deck. Am Ende eines modrigen, kerzenfunzelnden Tunnels lockte gleißend warmes Licht. Eine Designerküche, eine verdammte Designerküche, staunte Nopper.

„Willkommen in meinem Reich, mein Lieber“, grinste Cookie und reichte dem verdutzt blickenden Gast eine Flasche mit französischem Luxuswasser. „Erst mal was gegen den Durst, Alter – gleich gibt’s nämlich was zu tun!“

Nopper wies dem perfekt gekühlten Mineral den kürzesten Weg durch die Kehle, verschluckte sich und prustete auf eine frisch beschriebene Holztafel. „Entenkeulé a l'orangerie de piff paff“, stand da.

„Unser heutiges Hauptgericht, na Nopper, da staunste, wa...?“ Cookie reichte ihm ein Titanmesser. „Und weißte, was das schönste ist, Nopper? Du darfst die Möhren schneiden, und das Popcorn auch!“

Cookie wieherte los, und Nopper lachte sicherheitshalber ein bisschen mit. Dann deutete der Detektiv mit seinem neuen Edel-Schneidwerkzeug auf die Tafel und fuchtelte schließlich unbestimmt zwischen chromblitzenden Lichtflutern und marmornen Arbeitsflächen umher. Seine Augen bohrten sich so gut es ging in die des Küchenchefs:

„Nur mal kurz zur Orientierung, Cookie: Wir sind hier gemeinsam auf einem Schiff, du bist der Koch und ich so 'ne Art Kellner, heute gibt’s“ - Nopper visierte nochmal die Tafel an und kniff die Augen zusammen: „Heute gibt's Entenkeulé a l'orangerie de piff paff oder so – und ich soll die Möhren schneiden. Und das Popcorn auch.“

„Exakt, Nopper, exakt, ein guter Detektiv ist eben immer im Dienst.“ Eine kleine Pause entstand.



„Und wenn du mal austreten willst, dann bitte da entlang.“

Nopper verschwand.

30 Quadratmeter für ein Badezimmer? Nix für ungut, Cookie wartet bestimmt schon... Nach einem weiteren wohldosierten Schluck Mineralwasser strich sich Nopper übers unfrisierte Haupthaar und raunzte:

„Ok, Cookie, ok – ich nehme das so zur Kenntnis. Aber zwei Fragen habe ich noch. Erstens: Wo ist mein Hut? Und zweitens: Wo sind diese verranzten Möhren? Und noch 'ne Frage außer Konkurrenz: Haste mal 'ne Kippe?“

„Nu ma' sachte, Harri“, lachte der Maitre de Cuisine, während er eine – na klar – französische Nobelzigarette aus dem Silberetuit anbot: „Die Karotten de Provence sind da drüben und – pardon, Nopper, aber: Dein Hut..., das war doch der mit den drei Ecken... oder?“

Cookie stimmte eine bekannte Melodie an, brach ab und heulte schrill los, bin ihm die Tränen über die Wangen liefen; und Harri Nopper lachte nun nicht mehr mit. Stattdessen zuckte er zusammen, denn ein Türklopfen im XXL-Format war zu vernehmen.

„Na, Kochchef, was gibt heut' zu futtan?“ Ein Nopper bereits flüchtig bekannter Matrose duckte seinen Kugelschädel unter dem Türrahmen durch und schielte auf die Tafel. Dann ließ er enttäuscht die Schultern hängen.

„Welch erhabener Gast“, grinste Cookie: „Der gute alte Jewgeni Bratov – und wie immer lautet sein Leibgericht?“

„Borschtsch!!!“ brüllte der. Und ein wenig leiser, schon fragend: „Borschtsch?“

„Borschtsch gibt’s heut' nicht, und morgen nicht, und übermorgen auch nicht... Basta!“

„Und warrum nicht Kochchef, warrum?“

„Herrgottnochmal! Weil ich dazu rote Beete brauche! Und saure Sahne. Und weil noch keiner rote Beete mit einer Hochseeangel gefangen hat. Oder saure Sahne aus dem Meer gefischt... Cookie hob triumphierend den Zeigefinger. „Und Du und Deine Kalaschnikoff-Kumpels sowieso nicht!“

Bratov neigte seinen Kugelkopf noch etwas stärker und raunte listig: „Wir können Dir auch rrussisches Panzeröl besorgen.“

„Nein heißt nein, Bratov.“ Der trollte sich, drehte sich nochmal um und machte: „Och Möönsch...“

Während ihm der eine aus der Küche noch nachblickte, begann der andere ungerührt, Eier in eine Keramikschüssel zu schlagen.

„Tja Nopper, so sieht das aus hier.“

Na Super, dachte der Detektiv und schnappte sich die Möhren.

Der weitere Vormittag verlief ereignisarm.

Bisschen schnippeln hier, würzen da, rühren, vorheizen, abschmecken, ausspucken, Rezept nachschlagen, nachwürzen, Messer wechseln, seinen Gedanken nachhängen...

„Cookie?“

„Hm?“

„Und wieso piff paff?“

„Wegen dem Popcorn.“

„Ach so, klar.“



Bisschen schnippeln hier, würzen da, rühren, undsoweiterundsofort...

Bis Harri Nopper einen leichten Juckreiz im rechten Daumen verspürte. Und das, so wusste er aus Erfahrung, verhieß nichts Gutes.

„Nopper?“

„Hm?“

„Wie weit sind die Karotten de Provence?“

„Gleich fertig, würd' ich sagen.“

„Ok, Nopper, dann schau mal kurz 'rüber!“

Mit einer einzigen Kopfbewegung, über die der Detektiv noch Jahre später würde staunen müssen, wies ihn Cookie an, sich jetzt um das Popcorn zu kümmern, und zwar nur darum: Es nämlich aus einem bestimmten Schrank zu holen, auf einer bestimmten Arbeitsfläche gleichmäßig auszubreiten und für die 'Entenkeulé à l'orangerie de piff paff' vorzubereiten.

Nur, wie er nun im Speziellen vorgehen sollte, das hatte Harri Nopper aus Cookies Gestik nicht herauslesen können.

„Noch was unklar, Nopper?“

„Nöö, … aber...“

„Du weißt nicht, wie das mit dem Popcorn funktioniert.“

Nopper nickte.

Statt einer Erklärung zog Cookie etwas an einem Teleskop-Arm in Noppers Blickfeld, was der bisher für eine weitere Beleuchtungseinheit gehalten hatte. Diese entpuppte sich aber als Flachbildschirm, wie er auch in Bau- und Supermärkten oft zu finden war. In hervorragender Bild- und Tonqualität wurde nun schrittweise gezeigt, wie Harri Noppers nächste Arbeitsstunde aussehen würde.

Na toll, seufzte der Detektiv und wetzte ein Spezialmesser mit nahezu kreisförmig geschwungener Klinge. Und bald erklang das einzigartige Knirzen, das jeden Küchenexperten schmunzelnd aufhorchen lässt: Aha, Popcorn schälen für ein Gericht a la piff paff. Der ergonomisch perfekt designte Messergriff mit der Aufschrift 'Nanosuper' wurde unaufhaltsam überzogen mit einem Feuchtfilm aus Schweiß des frisch gebackenen Küchenhelfers.

Cookie pfiff fröhlich, laut und falsch vor sich hin; selbst Musikexperten hätten ihre Müh' und Not gehabt, aus dem Reggae in C-moll das gute alte „Yellow Submarine“ heraus zu hören.

Als Harri Nopper sich gerade daran gewöhnt hatte, seinen Schnittrhythmus mit Cookies Küchengesang in Einklang zu bringen, ertönten zwei schrille Pfiffe hintereinander. Und ein Ruf, den Nopper bislang nur aus alten Piraten-Filmen kannte:

„Antreten, alle Mann an Deck!“

Und während Nopper sich noch wunderte, warum er das Doppelsignal und den Bordbefehl so glasklar hören konnte, als stünde der Alarmgeber direkt neben ihm, hatte Cookie bereits die Kombüsenlautsprecher leiser gedreht, den Hauptherd auf Autopilot gestellt und seine Schürze mit dem Totenkopf und St.-Pauli-Schriftzug in die Ecke gepfeffert.

„Los Nopper, mach' hin, mir nach!“

Der Küchenhelfer stolperte hinter seinem Chef her, durch die blitzblank schimmernde Tür, zurück durch den modrigen, kerzenfunzelnden Tunnel, die Holzstiegen hinauf, blieb an der vorletzten mit dem rechten Fuß hängen, wäre auch lang hingeschlagen, hätte Cookie – ohne sich umzudrehen, wohlgemerkt - nicht mit seinem linken Arm den schon halb fliegenden Detektiv grob irgendwo gepackt und ihm zugezischt:

„Reiß' dich zusammen, Nopper, und bleib' bloß hinter mir, egal, was auch geschieht!“

An Deck war nicht viel zu sehen, außer schätzungsweise dreißig, vierzig Matrosenrücken und nicht mehr zu hören als die Mixtur aus kehligem Geraune und dem Wind, der lustvoll in den Segeln zu knattern schien.



Dann, alles übertönend wie ein Ruf von Donnerhall: „Alle Mann an Deck?“

Das konnte nur einer sein, der Käpt'n.

„Aye, aye, Sir“, brüllte es wie ein Mann zurück.

„Männer, jetzt bemüht mal euren Grips, verdammt!“

Cookie schien leise aufzustöhnen.

„Männer, ich brauche - - - 'Cannabis-Konsument' mit sechs Buchstaben, der zweite ist ein i, dahinter zwei f.“

Der Käpt'n schien eine kleine Kunstpause zu zelebrieren. Cookie brachte eine ebenso nachdenkliche wie erschrockene Miene zustande.

Erneut donnerte die Stimme los, noch lauter als zuvor offensichtlich:

„Männer!! Ich höre!!“

Harri Nopper lauschte angestrengt.

„Piff Paff?“ brummte es vielleicht irgendwo. Oder „Swiffer“? Oder war es doch nur jener Teil des Windes, der die armdicken Taue entlangpfiff? Das Schweigen an Bord fühlte sich an wie ein längst ausgekochter Vorgeschmack der Ewigkeit.

In Noppers Innerem stieg ein Druck auf wie in Cookies Dampfkochtopf, kurz bevor die Kartoffeln aus ihrer Schale platzen:

„Kiffer!“, brüllte unser Detektiv so laut, dass sich alle, wirklich alle umdrehten und er sich erschrocken den Mund zuhielt.



Danach war es solange still, wie ein zum Tode Verurteilter von der Zelle bis zum Galgen braucht, letzte Zigarette inklusive. Was hätte Harri Nopper jetzt für ein Exemplar von Cookies feinem französischen Rauchgut gegeben...?

Die Stimme des Käpt'ns riss ihn aus seinen Gedankennebel:

„Wer war das?“

Schweigen. Alle Blicke waren auf Harri Nopper gerichtet.

Cookie raunte ihm zu: „Wenn jetzt die Schiffsglocke läutet, dann gute Nacht, Nopper!“

Die Schiffsglocke läutete.



Harri Nopper erwachte. Er traute seinen Ohren kaum, und seinen Augen erst recht nicht. Der Wecker gab Laut. Es war halb acht.

Viel zu früh, dachte der Detektiv, und schlief wieder ein.

So. Der folgende Text ist nur dazu da, nicht gleich das Ende vorherzusehen und zu -lesen. Eine visuelle Täuschung sozusagen... Dieser Text ist nur dazu da, nicht gleich das Ende vorherzusehen. Dieser Text ist nur dazu da, nicht gleich das Ende vorherzusehen. Dieser Text ist nur dazu da, nicht gleich das Ende vorherzusehen. Dieser Text ist nur dazu da, nicht gleich das Ende vorherzusehen. Dieser Text ist nur dazu da, nicht gleich das Ende vorherzusehen.



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